"Boa ey, wat schmeckt die lekka, Alta"


Auferstanden aus Ruinen...

Soljanka

Die "Wann-machste-mal-wieder-die-eine-Suppe"-Suppe

Es gab sie in der BRD nur beim legendären UZ-Pressefest der DKP in den Düsseldorfer Rheinwiesen - die Soljanka. Für einen bekennden Suppenkasper wie mich DER geschmackliche Höhepunkt dieser jährlichen Präsentation der nationalen und internationalen Linken in der Landeshauptstadt. Nach der Wende habe ich sie das erste Mal in Rathenow gegessen, 2002 beim Flusslandschaften-Törn mit der Kolibri. Auf der Speisekarte stand "Nach dem Original-Rezept der örtlichen LPG" so war sie auch: Eher ein Eintopf denn eine Suppe, sehr gehaltvoll und mächtig, eben etwas zum Sattwerden bei schwerer körperlicher Arbeit. Später lernte ich andere Variationen kennen, Soljanka als leckeren und scharfen Einstieg in ein größeres Essen, als pikantes Süppchen zwischendurch aber auch als schicke Anbiederung an die Vergangenheit eines Ortes, hübsch garniert mit einem Klecks Crème Fraîche und ein paar kunstvoll darüber gestreuten Kräutern startete sie da eine neue Karriere in einem Gourmet-Tempel.


Soljanka in Boltenhagen an der Seebrücke - Variation mit Kassler

Es geht auf jeden Fall um die DDR-Varinate der bei den Waffenbrüdern entliehenen sauer-scharfen Seljanka - der damals allgegenwärtige Propaganda-Spruch "Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen" hat in diesem Fall zu einem Lernprozess mit einem echten Höhepunkt als Ergebnis geführt. Diese Suppe hat in der Tat nach dem Mauerfall einen Siegeszug quer durch die Republik angetreten und gilt heute als Geheimtipp. Die lieben Brüder und Schwestern im anderen Teil unseres geteilten Vaterlandes wussten ganz genau was schmeckt und die große Variationsbreite der Zutaten kam zudem der manchmal schwierigen Versorgungslage entgegen.


Die wichtigsten Zutaten einträchtig beieinander

Grundsätzlich ist es eine saure Restesuppe, meist besteht die Einlage allein aus Wurst, manchmal kommt noch Fleisch (Kassler o.ä.) dazu. Sie schmeckt überall anders. Ihre Säure verdankt sie den Gurken (natürlich aus dem Spreewald), sie gehören unbedingt hinein, ebenso wie Paprika, Knoblauch und Zwiebeln (einige nehmen statt dessen Letscho) und heute ist sie meistens von eher milder Schärfe. Mit Kartoffeln oder Nudeln lässt sie sich schnell zu einem feinen Eintopf aufpeppen und kann so auch als Hauptmahlzeit für große Gruppen auch unter Segeln eine gute Figur machen. Auf jeden Fall aber ist sie hervorragend als Stärkungs- und Schwerwetter-Suppe geeignet - auf Vorrat gekocht und in Thermoskannen abgefüllt mit Brot oder pur kann sie einer durchnässten Crew neue Lebensgeister einhauchen. Wie alle diese eintopffähigen Suppen schmeckt sie mit jedem Aufwärmen besser***. Und: Man kann sie fix auch in kleinen Mengen fabrizieren: Brühe aus dem Glas, Tomatenmark aus der Tube und der Rest frisch über die Pfanne in den Topf - nach spätestens 60 Minuten dampft ein echter Höhepunkt auf dem Teller!


Da hat der Smutje schon zugeschlagen bzw. zugeschnitten - alles löffelfein zerkleinert...

Das Rezept ist dynamisch zu sehen - ich arbeite noch daran, es stellt den augenblicklichen Status meiner Soljanka dar. Ohne Fleisch, ich nehme nur Wurst und da dominiert die gute alte Fleischwurst, auch in ihrer jagdlichen Form. Geschmack ist da natürlich nicht so viel zu holen, dafür sorgen dann Speck und/oder Salami - allerdings "piano" denn bei zuviel Speck gibt selbiger gerne die Richtung vor und wird schnell zu dominant. Bei mir hat sich ein Verhältnis Salami bzw. Speck zu Fleischwurst von 1:6 als optimal heraus gestellt - doch da sollte jeder seine eigenen Geschmacksknospen befragen......


Zwiebeln, Speck und Knoblauch machen den Anfang, die Pepperoni wollte auch unbedingt schon mit dabei sein...

Statt Letscho nehme ich frische Paprika, Zwiebeln und Tomatenmark oder auch stückige Tomaten mit Mark. Klar kann man auch hier frische Tomaten nehmen - doch in diesem Punkt sind sich ja alle Ökotrophologen einig: Da gibt es keinen Qualitätsunterschied, also kann man ohne Reue Arbeit und Zeit sparen! Frische Champignons*** machen sich nicht schlecht. Da ich die etwas schärfere Variante bevorzuge kommen noch ein bis zwei Pepperoni dazu. Aufpassen muss man mit Salz, Wurst und Gurken bringen schon genug mit, lieber am Ende nachsalzen als von vornherein im roten Bereich zu arbeiten. Senf und Zucker (Tomaten!) sind wichtig für den Geschmack!


Unbedingt mit am Start: Etwas von der Gurkenlake, ein richtig guter Schuss aus dem Spreewald muss dazu

Für 10 Portionen sollten reichen:

- 100 g durchwachsener Speck
- ca. 600g Fleischwurst, Jagdwurst o.ä.
- Fleisch nach Belieben: Kassler, Gulasch, gerne auch Putenbrust und Co. - alles geht
- 3 große Zwiebeln
- 3 Knoblauchzehen
- nach Belieben 1-2 Chilischoten
- 2 Lorbeerblätter
- 3 Paprikaschoten, ich nehme nur rote
- etwa 10 saure Gurken
- 5 frische Champignons***
- 1,5 Liter Brühe, einen guten Schuss von der Gurkenlake, etwas Senf, etwas Wein
- ca. 200g Tomatenmark oder pürierte Tomaten

***Champignons - da scheiden sich die Eintopf- und Suppen-Geister. Ich finde (und das sind auch meine bisherigen Erfahrungen): Wenn man frische Pilze nimmt und dafür sorgt dass die Suppe 1. gut gekühlt gelagert wird und 2. beim Aufwärmen nicht immer die gesamte Vorratsmenge erwärmt wird sondern nur das was man gerade braucht besteht da keine Gefahr. Vorsichtige Zeitgenossen können aber genau so gut auf die Pilze verzichten.

Zwiebeln und Speck anbraten, Knoblauch und die Wurst dazugeben, unter fleißigem Wenden weiter anbraten, ggf. mit Brühe ablöschen und anschließend alles in einen großen Topf geben. Ok, Zeit für ein Geständnis: Liest sich ja gut, dass "...mit Brühe ablöschen" - hört sich so richtig professionell an und schließlich sind wir hier ja auch auf einer weltweit beachteten Gourmet-Seite. Aber: Wichtig ist auf´m Platz - sprach Adi Preißler und für den Smutje übersetzt heißt das ganz klar: Wie machen wir das in der Küche? Da zählt für mich, gerade bei größeren Mengen, allein der gute und problemlose Arbeitsablauf, gerade auf kleinem Raum, gerade an Bord. Im Klartext arbeite ich mit zwei Kochstellen, die findet man auch in kleinen Kombüsen. Vorn wird angebraten und hinten steht der große Topf mit der Brühe, da wandert Pfanne um Pfanne hinein - fertig! Einem Sternekoch stehen zwar dann die Haare zu Berge aber das ist ja nicht unser Problem.

2. Durchlauf: Paprika, Chilischoten und (etwas später) Champignons*** anbraten, ebenfalls in den Topf geben. Alles mit Brühe auffüllen, Gurkenwasser und Tomatenmark dazu und die Gurken (natürlich als kleine Würfel) ebenfalls. Die Lorbeerblätter dürfen auch mit rein, alles wird 20 Minuten geköchelt, ab und an umgerührt - fertig.

Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad? Für die anderhalbfache Menge der Liste oben brauche ich als Einzelkämpfer in der Küche etwa 90 Minuten, wobei das Schneiden der Zutaten mit fast 50 Minuten zu Buche schlägt. Danach hat man dann aber auch einen großen Topf Suppe für etwa 15-20 Portionen. Mit etwas Hilfe beim Zerklenern geht es also erheblich schneller - wenn verwundert das? Und schwierig? Wer einen Liter Wasser fehlerfrei abmessen und ohne zu verschütten in den Suppentopf bekommt sollte die Soljanka auch hinkriegen. Das Rezept ist völlig anspruchslos in Sachen Mengen, es ermuntert gerade zu zum Experimentieren und gibt dem Koch und seiner weiblichen Form alle Freiheiten der Meere - einfach mal machen! Vorschläge für Variationen - gerne mit Foto - einfach an soljanka@czierpka.de


Welcher Wein ins Essen? Klar doch - das MUSS Rotkäppchen sein - Riesling trocken (keine Angst: aus Rheinhessen)

Und was trinken wir dazu: Das muss ja passen, also ein mildes Lübzer Pils kommt gut, auch wenn das bei den westlichen Biertrinkern als "Mädchenpils" verschrieen ist. Ich bevorzuge dazu ein anderes Ostprodukt: Rötkäppchen Sekt - HALT, nicht lachen - nicht irgend eine Sorte sondern Rotkäppchen Riesling Trocken Flaschengärung - keine dieser vielen "süffigen" Sektkompositionen oder anderen Mischungen: Ein klares reines Produkt für das ich jeden Prosecco stehen lasse. Mal ausprobieren!


Mit einem Klecks Crème Fraîche verziert auch eine feine Mitternachtssuppe - auch vor 12!

Zurück zur Auswahlseite

Diese Seiten sind Teil der Domain www.czierpka.de. Das Copyright liegt bei Karl-Heinz Czierpka, es gelten die im Impressum und in der Erklärung zum Datenschutz aufgeführten Grundsätze und Einschränkungen. Auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch kann die Anwendung zu Nebenwirkungen wie Sättigung, Gewichtszunahme, Völlegefühl usw. führen. Selbst kleinste Abweichungen von den hier vorgeschlagenen Prozeduren machen den Genuss der so entstandenen Produkte zu einem echten Gesundheitsrisiko. Ich distanziere mich daher ausdrücklich und mehr als energisch von dem Versuch, durch Nachkochen in den Genuss auch nur ähnlicher Geschmackserlebnisse zu gelangen. Lass es sein! Dein besorgter Kalle!!