Über Rhein, Ruhr und Lippe wurde das Schwarze Gold des Ruhrgebietes abtransportiert - seit 1776 ergänzt durch eine über Schleusen schiffbar gemachte Ruhr, die dadurch bereits um 1800 zum meistbefahrenen Fluss Europas (!) aufstieg. Wenig später ermöglichte die Weiterentwicklung im Pumpenbau den Kohleabbau auch in großen Tiefen und so machte die Dampfmaschine den Weg frei für die Stahlproduktion. Das Revier startete durch und die Schwerindustrie hier wurde zum Motor für die wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Landes.
Die Ruhr - Namensgeberin der Region - heute ein schönes Motorboot-Revier
Bald reichten die Flüsse nicht mehr aus, sie allein konnten die notwendigen Transportleistungen des wachsenden Ruhrgebietes nicht mehr erbringen. Schon 1899 wurde mit dem Dortmund-Ems-Kanal DEK der erste künstliche Wasserweg in Betrieb genommen, Rhein-Herne-Kanal RHK und Datteln-Hamm-Kanal DHK kamen 1914 dazu. Der Wesel-Datteln-Kanal WDK wurde dem RHK 1931 unter dem Namen Lippe-Seitenkanal als Entlastung zur Seite gestellt. Bis weit in die 1960er Jahre waren Schleppzüge prägende Fahrzeuge auf den Kanälen, heute werden die vielen Zechenhäfen an vielen Stellen durch andere Industrien genutzt, häufig stehen hier Großkraftwerke - die Kohle wird von weither angeliefert - verkehrte Welt! So kommt es, dass Schubverbände mit schwarzer Fracht auch heute noch in großer Zahl unterwegs sind, allerdings in anderer Richtung als früher. Viele der Zechenhäfen haben eine zweite Karriere im Sportbootbereich gestartet - so ist Lünens Preußenhafen heute ein attraktives Ziel für viele Sportboote. Der DHK sollte ursprünglich bis Lippstadt gebaut werden - er endet heute in Hamm.
Preußenhafen 1964, mit freundlicher Genehmigung der Stadt Lünen www.luenen.de
Der Kohle folgte die Chemie auf dem Fuße - die gigantischen Chemieanlagen am Wesel-Datteln-Kanal sind Nachfolger der Großanlagen der IG Farben. Hier wurden schon vor dem Krieg synthetischer Kautschuk hergestellt, Kokereigase waren Rohstoff für die Buna-Produktion und ein Beitrag der Chemie zu den Autarkiebestrebungen des Deutschen Reiches. Heute arbeiten hier im drittgrößten Chemie-Verbundstandort Deutschlands auf 6,5 Quadratkilometern rund 10.000 Menschen - und wer mit dem Boot unterwegs ist fährt mitten durch dass Werk - einmalig! Wegen der einzigartigen Massierung von innovativer Technik und großer Produktivität stand das Revier mit seinen kriegswichtigen Schlüsselindustrien während des zweiten Weltkrieges ganz oben auf der Liste der alliierten Bomberziele. "The blast furnaces of the devil", die "Hochöfen des Teufels" nahmen in der "Battle of the Ruhr" eine Sonderstellung ein - die Waffenschmiede des Dritten Reiches wurde in Grund und Boden gebombt, die Städte in Schutt und Asche gelegt. Auf meine Heimatstatdt Dortmund etwa wurden allein beim Angriff des 12. März 1945 die unvorstellbare Menge von fast 5.000 Tonnen Bomben abgeworfen - die anderen Montan-Metropolen sahen nicht viel anders aus. Auch Duisburg, Bochum, Oberhausen, Mühlheim, Gelsenkirchen und wiederholt natürlich Essen wurden in eine Kraterlandschaft verwandelt. Das Revier existierte nicht mehr! Doch nach Kriegsende, nach Demontage und Diskussionn um ein Deutschland als Kartoffelacker (Morgenthau-Plan) setzte sich das Ruhrgebiet an die Spitze des Wiederaufbaus: Wieder zogen die Kumpel und Stahlarbeiter aus dem Ruhrpott das ganze Land aus dem Sumpf, Rohstoffe und Know-How wurden zum Garanten des Wiederaufbaus, die Ausgleichszahlungen in den Süden sogten auch dort für wachsenden Wohlstand.
Faszinierende Industriekulissen gibt es natürlich immer noch im Revier...
Kohlen- und Stahlkrise kehrten Jahre später die Vorzeichen um, hunderttausende von Arbeitsplätzen wurden vernichtet, wegsubventioniert und das Revier musste sich selbst helfen, denn das Geld, das einst Baden-Würtemberg, Bayern und Co. zu Gute kam, floss nicht zurück. Die Länder südlich des Weißwurst-Äquators profitierten von Änderungen des Länderfinanzausgleichs - von Solidarität keine Spur! Dortmund, Stadt von Kohle, Stahl und Bier wurde zur Dienstleistungsstadt, mittlerweile ohne Zeche, ohne Stahlwerk - und zunehmend wird auch das Bier anderswo gebraut. Die Relikte des Montanzeitalters sind noch allenthalben zui sehen, werden liebevoll gepflegt von den Menschen die früher hier einfuhren oder Stahl kochten. Auch andere Hinweise auf die große Vergangenheit sind allenthalben deutlich. Denn beim Dreiklang von Kohle, Stahl und Bier darf der Fußball auf keinen Fall vergessen werden, hier ist er zu Hause und hier hat er bis heute einen sehr hohen Stellenwert. Wer etwa kennt sie noch, die großen Revier-Fussball-Vereine wie Rot-Weiß-Oberhausen oder RW Essen? Unterwegs findet man sie, von treuen Fans auf Spundwände und andere Untergründe gepinselt - Hinweise auf die vielen Clubs aus dem Pott die maßgeblich die Oberliga-West als Keimzelle der Bundesliga bestimmten.
Ruhrgebiet? - Ja, auch das ist das Ruhrgebiet: Durch die Hohe Mark am WDK
Die Karte zeigt die geniale Idee der Väter - sie durchzogen das Revier mit einem Netz von Wasserwegen und erschlossen damit die Zentren für den kostengünstigen Massengütertransport. Mit Erfolg bis heute, denn Duisburgs "Duisport" etwa wuchs zum größten Binnenhafen Europas und Dortmund, mitten im Binnenland und ohne schiffbaren Fluss in der Nähe, ist heute Europas größter Kanalhafen. Beide Häfen kooperieren seit 2004, der regelmäßige Rhein-Westfalen-Shuttle verbindet sie auf der Schiene.
Nur zum Verständnis: Mehr als 5,5 Millionen Menschen leben zwischen Dortmund und Duisburg, doch der Einzugsbereich umfasst mehr als 30 Millionen! Mehr als 300.000 Firmen sind in dieser Region tätig, die Branchenvielfalt ist ohne Beispiel in Europa! Regelmäßige Shuttle-Verbindungen auf Schiene und Wasserstraßen stellen die Verbindung zu anderen Wirtschaftsräumen her.
Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen am RHK, 1968 still gelegt, jetzt wird das Gelände wieder bebaut...
Heute sind diese Wasserwege weit mehr als nur Transportwege, zumal von den ehemaligen Massengütern des Reviers, Kohle, Erze, Schrott und deren Produkten heute nur noch die Kohle eine größere Bedeutung hat, allerdings wird sie mittlerweile auch angeliefert, billige Importkohle für die großen Kraftwerke im Revier. Doch hier scheint die Zukunft wieder zurück zu den Wurzeln zu zeigen: Der enorme Stahlhunger Asiens, die steil ansteigenden Kosten für gute Kokskohle und die allgemeine Energieknappheit bewirken etwas Unglaubliches: Es wird ernsthaft über das Abteufen neuer Schächte nachgedacht, Deutschland besinnt sich seiner Bodenschätze und die Augen ehemaliger Kumpel leuchten, wenn über die Ausbeutung neuer Kokskohlefelder nachgedacht wird.
...und so wird es 2015 hier aussehen: Ein neuer Stadtteil mit Marina und 5.000 neuen Arbeitsplätze sollen entstehen. Fotos: Stadt Gelsenkirchen
Doch zurück zu den Kanälen im Pott: Sie erfüllen zusätzlich andere, wichtige Aufgaben. So stellen sie z.B. durch ihren Verbund die Versorgung der großen Kraftwerke mit Kühlwasser sicher. Auch Prozesswasser wird den Kanälen entnommen, dazu kommen die Schleusungsverluste. Ein kompliziertes Netz von Pumpwerken sorgt für die Wasserhaltung in den Kanälen, um maximal 5cm darf der Wasserspiegel schwanken - Kanaltiefe und Brückenhöhen lassen an den kritischen Stellen nicht mehr zu! Die Pumpen-Zentrale hat ihren Sitz in Datteln, direkt an der zentralen Scheitelhaltung. Zu normalen Zeiten speist die Lippe über den Datteln-Hamm-Kanal das gesamte Kanalnetz mit Wasser - reicht das nicht aus wird über die Pumpen der einzelnen Schleusenstufen Rheinwasser bis hoch nach Hamm gepumpt. Auf diese Weise sichert der Rhein im Hochsommer über die Kanäle letzlich sogar den Wasserstand der Lippe und damit den Kühlwasserbedarf der Lippe-Kraftwerke.
Hebewerk Henrichenburg - erster Zugang nach Dortmund, heute Industriedenkmal und Ziel vieler Sportboote
Und natürlich sind die Kanäle weiter wichtige Transportwege für Massengüter, die umweltfreundliche und bei großen Mengen oder Abmessungen unschlagbare Binnenschifffahrt nutzt die ausgebauten Wasserwege weiterhin. Container spielen auch im Binnenverkehr eine immer größere Rolle und bei der Standort-Entscheidung für das große IKEA Europalager in Dortmund war die Option eines eigenen Hafens am Dortmund-Ems-Kanal ein wichtiger Plupunkt. Macht mich als Dortmunder einigermaßen stolz, dass sich meine Heimatstadt gegen Städte wie Piacenza und Rotterdam durchsetzen konnte bei der Bewerbung um den weltweit größten IKEA-Logistik-Standort - aber dies nur nebenbei, denn hier geht es um die Wasserstraßen im Revier: Während auf der Ruhr die Frachtschifffahrt nur bis zum Rhein-Ruhr-Hafen Mülheim Bedeutung hat - darüber hinaus sind nur Fahrgastschiffe und die Sportbootschifffahrt unterwegs - ist der Rhein unangefochten die meistbefahrene Wasserstraße Europas. Besonders im Bereich von NRW ist das Verkehrsaufkommen gewaltig und wer sich hier mit dem Sportboot auf Vater Rhein bewegt sollte seine Sinne beisammen und den Motor gut gewartet haben...
Rush-Hour auf dem Rhein: Begegnen, Überholen, Queren - alles in mehreren Reihen, alles gleichzeitig, alles schnell...
Und die Wasserstraßen sind ein bedeutender Faktor für den Bereich Freizeit geworden. Wo immer in ehemaligen Industriehäfen der Wassersport Fuß gefasst hat, boomt die Branche. Die Marina Rünthe in Bergkamen, Liegeplatz der Tremonia, ist bestes Beispiel für diesen ungebrochenen Trend. Wer hier an einem sonnigen Wochenende seinen Espresso mit Blick aufs Wasser trinken will, muss früh aufstehen. In Lünen ist der Preußenhafen als Wasserwanderrastplatz mit Marina-Attributen fertig und Recklinghausen hat seinen unansehnlichen Stadthafen in eine Anlegestelle mit mediterranem Flair verwandelt. Die große Marina im ehemaligen Holzhafen Duisburgs und die neue Marina in Oberhausen zeigen, dass die Zeichen der Zeit im Revier erkannt wurden. Im Augenblick planen sowohl Mülheim als auch Essen und Gelsenkirchen im Rahmen der Wirtschaftsförderung eigene Yachthäfen. Informationen dazu befinden sich auf den Ortsseiten der interaktiven Revierkarte - ein Blick in die Zukunft!
Das Ruhrgebiet auf dem Weg zum Wassersportrevier - Investorenbootsfahrt auf der Heisingen 2006
Marina Rünthe am DHK im alten Verladehafen der Zeche Werne - DER Premium-Yachthafen im Ruhrgebiet
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